Zeit: | 22. Januar 2020 |
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Veranstaltungsort: | Stadtbibliothek Stuttgart, Mailänderplatz 1 |
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Als sich Honoré de Balzac 1842 daranmachte, die Vielzahl seiner bis dahin veröffentlichten Romane - darunter so bekannte Texte wie "La Peau de chagrin" oder "Le père Goriot" - zu einem großen Projekt unter dem Titel "La comédie humaine" zusammenzufassen, stand ihm weniger das metaphysische Ordnungsprinzip der "Divina Commedia" Dante Alighieris vor Augen als vielmehr ein aus der zeitgenössischen Wissenschaft übernommenes physisches Denken in „milieus“: Diese Erforschung der Milieus der französischen Gesellschaft nach 1789 war gleichermaßen ein soziologisches wie ein biologisches Projekt, denn für Balzac war ein Hut, der Schnitt eines Gehrockes oder die Farbe eines Handschuhs das, was für den Paläontologen Georges Cuvier der Wirbelknochen eines Dinosauriers war, nämlich das eine Element, mit dem sich über die Kleidung eines typischen Individuums die Gesellschaftsschicht rekonstruieren ließ, die es hervorgebracht hatte. In der Lektüre der "Comédie humaine" erschließen sich so gleichzeitig die zur Quelle von Literatur avancierenden neuen Lebenswissenschaften Frankreichs in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts.
Vortrag auf Deutsch.
Auf Einladung von Prof. Dr. Kirsten Dickhaut, Institut für Literaturwissenschaft.
Die Veranstaltung wird von der Robert Bosch Stiftung mit Mitteln der DVA-Stiftung gefördert.